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So gelingt der industrielle Wandel – nachhaltig und mit Verantwortung!
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So gelingt der industrielle Wandel – nachhaltig und mit Verantwortung!

01.06.2022

Maria Röttger, CEO der Michelin Region Nordeuropa, über den strukturellen Wandel in der Automobilindustrie, die Transformation des ehemaligen Michelin Reifenwerks bei Hallstadt in einen Cleantech Innovation Park und die wirtschaftliche Weiterentwicklung der Region.

Es gibt wohl kaum eine Industrie auf dieser Welt, die aktuell nicht von einschneidenden Transformationen betroffen ist. Gerade das industrielle Zeitalter ist geprägt vom Wandel, denn der Weg von der haushohen Dampfmaschine bis zum fingernagelgroßen Mikrochip ist gekennzeichnet von vielen Brüchen und teils extremen Veränderungen. Nach zehn Jahren Wachstum gehen die Beschäftigungszahlen in der Automobilindustrie deutlich zurück: 2020 waren in der Branche rund 24.000 weniger Arbeitnehmer beschäftigt als im Vorjahr. Die E-Mobilität, autonome Fahrfunktionen und neue Mobilitätsdienstleistungen sowie die fortschreitende Automatisierung der Fertigungsprozesse werden die Produktion von Zulieferern und Automobilherstellern weiter verändern.

Wandel verlangt Entscheidungen

Dieser industrielle Wandel war immer schon begleitet von schicksalhaften Ereignissen für die Belegschaft, denn oft führt Veränderung zwangsweise zu Schließungen ganzer Standorte. Für kein Unternehmen ist ein solcher Schritt einfach – auch für uns nicht. So lief zum Jahresende 2020 am Standort Hallstadt bei Bamberg der letzte Michelin Reifen vom Band. Ein tiefer Einschnitt für die Belegschaft und die Region. Das ist uns bewusst, daher hat sich Michelin schon frühzeitig entschieden, am Standort Hallstadt einen aktiven Beitrag für den industriellen Wandel einzuleiten und das ehemalige Reifenwerk gemeinsam mit Partnern zu einem Clean-Tech Innovation Park umzugestalten.

Hallstadt liegt inmitten der nordbayerischen Automobil- und Zuliefererindustrie – und diese steht vor gewaltigen Herausforderungen. Dabei sind kleine und mittlere Automobilzulieferer in besonderer Weise von dem strukturellen Wandel betroffen und haben häufiger Schwierigkeiten, die damit verbundenen hohen Investitionen in neue Technologien und Produkte zu finanzieren. Aber auch große Unternehmen mit eigenen Forschungs- und Entwicklungsabteilungen können den Transformationsprozess in der geforderten Geschwindigkeit nicht allein managen. Wenn wir also die Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland sowie unsere Technologieführerschaft langfristig sichern und ausbauen wollen, muss die gesamte Industrie an einem Strang ziehen und zusammenarbeiten. Denn die Frage ist nicht, ob eine Innovation kommt, sondern wer sie macht.

Kipppunkt erreicht

Der Marktwandel macht auch vor den Reifen nicht halt: Die Produktionin Hallstadt war auf kleine Reifengrößen zugeschnitten, mehr als 250 Millionen Reifen verließen seit Produktionsstart 1971 das Werk. Die Nachfrage der vergangenen Jahre ging allerdings stetig zurück: Neuwagen werden mit immer größeren Reifen ausgeliefert, ganz gleich, ob es sich um Kleinwagen im Volumensegment oder Elektroautos handelt,bei denen große Reifen den Rollwiderstand verringern und so die Reichweite erhöhen.* Die Veränderungen auf dem europäischen Reifenmarkt sind also struktureller Natur – eine Trendwende ist nicht absehbar. Dieser Kipppunkt war der Grund für die Schließung unseres traditionsreichen Standorts. Eine Schließung, die sehr emotional war: Bis zuletzt arbeiteten die Mitarbeiter*innen mit unglaublichem Einsatz, bis zuletzt galt der Fokus ausschließlich den hochwertigen Premiumreifen, made in Nordbayern.

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Verbrannte Erde vs. fruchtbarer Boden

Michelin fühlt sich seinem ehemaligen Produktionsstandort und dem wirtschaftlichen Wohlergehen der Region verpflichtet. Daher war klar: Wir wollten keine verbrannte Erde, sondern fruchtbaren Boden hinterlassen. Mit einem Revitalisierungsprogramm engagiert sich Michelin seit der Schließung aktiv an der nachhaltigen und umweltfreundlichen Umgestaltung des Standortes. Gemeinsam mit Kooperationspartnern aus der Politik haben wir deshalb den Cleantech Innovation Park auf dem ehemaligen Reifenwerk gegründet. Ziel ist es, dort gemeinsam mit anderen Unternehmen und der Forschung neue, zukunftsfähige Arbeitsplätze zu schaffen und die Leistungsfähigkeit der regionalen Wirtschaft zu fördern. So wollen wir den unumkehrbaren industriellen Transformationsprozess aktiv mitgestalten und gleichzeitig einen Beitrag zur Dekarbonisierung liefern. Denn auch Michelin hat das ehrgeizige Ziel, als Unternehmen bis 2050 klimaneutral zu werden.

Zukunft sichern

Ein erfolgreiches und innovatives Transformationskonzept für einen großen Produktionsstandort gleicht einem Puzzle: Es müssen die Anforderungen und Bedarfe des Marktes und der unterschiedlichen Akteure – Politik, Industrie, Forschungseinrichtungen – unter einen Hut gebracht werden. Das ist uns gelungen. Wir haben eine Zusage des Freistaats Bayern über ein Förderpaket in Höhe von rund 20 Millionen Euro. Und auch Wirtschaft und Forschungseinrichtungen zeigen großes Interesse, im Cleantech Innovation Park die Zukunftsthemen gemeinsam voranzutreiben. Die Universität Bamberg möchte sich mit ihrem Campus Mensch-zentrierte Künstliche Intelligenz (MeKI) beteiligen und auf dem Gelände neue Forschungsthemen rund um das Thema KI erschließen. Mit bereits unterzeichneten Absichtserklärungen signalisiert  auch die Wirtschaft Interesse, um Zukunftsthemen im Cleantech Innovation Park Hallstadt gemeinsam voranzutreiben.

 Unsere selbstgesteckten Ziele gehen also weit über die Revitalisierung eines Standortes hinaus hin zu einer Weiterentwicklung der ganzen Region.

 

Neutrale Plattform

Unser ehrgeiziger Plan: Wir machen aus dem ehemaligen Michelin Standort Hallstadt ein hochleistungsfähiges Innovationsnetzwerk, das große und kleine Unternehmen, Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Start-ups zusammenbringt, um gemeinsam an einem neutralen Ort an Mobilitätskonzepten, Antriebssystemen und grünen Spitzentechnologien der Zukunft zu arbeiten. Das sind genau die Felder, die wir zusammen mit den lokalen und regionalen Akteuren identifiziert haben. Diesen Innovationsprozess zu unterstützen, ist unser Haupttreiber – nicht die eigenen wirtschaftlichen Interessen.

Mit dieser Keimzelle für grüne Zukunftstechnologien wollen wir einen Maßstab setzen für den industriellen Strukturwandel und die Weiterentwicklung in Richtung einer nachhaltigen Mobilität. Und wir wollen auch unsere ehemaligen Mitarbeiter*innen und die kommenden Generationen mitnehmen und ihnen aufzeigen, dass Transformation auch neue Perspektiven bietet – für die gesamte Region. Die marktgetriebene Schließung des Standortes in Hallstadt soll marktgetrieben auch wieder eine Zukunft bieten. Der strukturelle Wandel hat uns zu diesem Schritt veranlasst und bietet aber auch Chancen im Bereich Cleantech und Nachhaltigkeits-Technologien. Wir wollen in Hallstadt etwas schaffen, das zum Maßstab für eine nachhaltige Transformation von Industriestandorten weltweit werden kann. Das haben wir uns auf die Fahnen geschrieben und das ist das Ziel des Revitalisierungsprojektes. Es wäre fahrlässig, diese Chancen nicht zu nutzen.

*Gerade kleinere Elektroautos für den urbanen Verkehr haben meist größere und schmalere Reifen, um den aerodynamischen Luftwiderstand durch geringere Breite zu reduzieren als auch durch eine größere Dimension den Rollwiderstand zu reduzieren.

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