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„Die Frage war: Hinterlassen wir verbrannte Erde oder fruchtbaren Boden?“
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„Die Frage war: Hinterlassen wir verbrannte Erde oder fruchtbaren Boden?“

01.06.2022

Der strukturelle Wandel in der Automobilindustrie macht auch vor Reifenherstellern nicht halt. Die Schließung des Michelin Produktionsstandortes Hallstadt bei Bamberg ist eine Folge dieses Transformationsprozesses, der bei aller Unsicherheit auch Entwicklungschancen für die Region bietet. Ein Gespräch mit Maria Röttger, CEO Nordeuropa, bei Michelin über die Transformation eines Standortes und den wirtschaftlichen Aufschwung der Region.

Mehr als 800 Menschen haben durch die Schließung des Produktionsstandortes Hallstadt ihren Job verloren. Können Sie uns Ihre Gefühle beschreiben, die Sie während dieses Prozesses begleitet haben.

Maria Röttger: Jedes Unternehmen tut sich mit einer solchen Entscheidung schwer – auch wir. Ende 2020 lief am Standort Hallstadt der letzte Michelin Reifen vom Band. Damit endete eine mehr als 50-jährige Geschichte eines großen Michelin Standortes. Das bewegt nicht nur die von der Schließung direkt betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sondern die gesamte Region. Ich hatte während dieser Zeit einige schlaflose Nächte – immer in Gedanken, was hätte anders laufen müssen, damit diese Entscheidung hätte abgewendet werden können.

Was hätte denn anders laufen müssen?

Ganz nüchtern: Der Reifenmarkt hätte sich anders entwickeln müssen. Es gibt wohl kaum eine Industrie auf dieser Welt, die sich nicht grundlegenden Veränderungen stellen muss. Und genau solch einem Marktwandel müssen wir uns als Reifenhersteller auch stellen. Das verlangt Entscheidungen, die in diesem konkreten Fall zur Schließung eines Standortes geführt haben. Es waren also die Marktkräfte, die Hallstadt in die Knie gezwungen haben.  

Geht das konkreter? Warum kam es zur Schließung des Standortes?

Die Produktion in Hallstadt war auf kleine Reifengrößen zugeschnitten. Die Nachfrage ging aber in den vergangenen Jahren stetig zurück. Neuwagen werden mit immer größeren Reifen ausgeliefert, ganz gleich, ob es sich um Kleinwagen im Volumensegment oder Elektroautos handelt. Gleichzeitig wachsen auf dem Ersatzmarkt die Budget-Marken. Die Veränderungen auf dem europäischen Reifenmarkt sind struktureller Natur und der Grund für die Schließung unseres traditionsreichen Standorts.

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Wie kam es dann zu dem Revitalisierungsprojekt?

Die Frage war: Hinterlassen wir verbrannte Erde oder fruchtbaren Boden? Michelin hat sich klar für zweiteres entschieden. Wir haben fast 50 Jahre in sehr guter Zusammenarbeit mit der Stadt und dem Landkreis in Hallstadt Reifen produziert. Wir fühlen uns dem wirtschaftlichen Wohlergehen der Region verpflichtet. Daher war uns klar: Auch wenn Michelin geht, eine Perspektive soll bleiben. Und die gibt es mit dem Transformationsprojekt.

 

Wie können wir uns dieses Projekt vorstellen?

Seit der Schließung engagiert sich Michelin aktiv an der nachhaltigen und umweltfreundlichen Umgestaltung des Standorts. Ziel ist es, dort mittel- bis langfristig neue Arbeitsplätze zu schaffen, die Leistungsfähigkeit der regionalen Wirtschaft zu stärken, den notwendigen Transformationsprozess der Industrie zu unterstützen und einen Beitrag zur Dekarbonisierung zu liefern. Das wollen wir mit dem Aufbau des Cleantech Innovation Park erreichen.

 

Wie funktioniert der Cleantech Innovation Park?

Gemeinsam mit unseren Partnern aus der Politik, Wissenschaft und Wirtschaft machen wir aus dem Standort ein hochleistungsfähiges Innovationsnetzwerk, das große und kleine Unternehmen, Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Start-ups zusammenbringt. Gemeinsam soll hier – an einem neutralen Ort – an Mobilitätskonzepten, Antriebssystemen und grünen Spitzentechnologien der Zukunft gearbeitet werden. Das sind genau die Felder, die wir zusammen mit den lokalen und regionalen Akteuren identifiziert haben. So entsteht eine Keimzelle für grüne Zukunftstechnologien, mit der wir den industriellen Strukturwandel und die Weiterentwicklung in Richtung einer nachhaltigen Mobilität fördern wollen.

 

Was macht Sie so zuversichtlich, dass die Revitalisierung in Hallstadt ein Erfolg wird?

Wir haben den ersten wichtigen Schritt dazu schon getan. Michelin, die Stadt Hallstadt und der Landkreis Bamberg haben Ende 2021 die Cleantech Innovation Park GmbH gegründet. Dieser Gesellschaftsvertrag ist der formelle Startschuss für Zusammenarbeit bei der Revitalisierung des Geländes. Wir haben auch schon viele weitere Akteure im Boot. Der Freistaat Bayern etwa hat ein Förderpaket in Höhe von rund 20 Millionen Euro zugesagt. Die Universität Bamberg möchte sich mit ihrem Lehrstuhl für Künstliche Intelligenz (KI) am Projekt beteiligen und auf dem Gelände neue Forschungsthemen rund um das Thema KI erschließen. Und auch die Wirtschaft signalisiert konkretes Interesse, Zukunftsthemen gemeinsam voranzutreiben. Hallstadt liegt inmitten der nordbayerischen Automobil- und Zuliefererindustrie – und diese steht vor gewaltigen Herausforderungen, denn viele große Zulieferer und sogar Hersteller können den Transformationsprozess in der geforderten Geschwindigkeit nicht allein bewältigen. Der Cleantech Innovation Park soll ein Transmissionsriemen für die gesamte Region sein. Wir sehen sehr große Chancen, dass mit der Revitalisierung des Standorts auch eine Dynamisierung der gesamten Region einsetzt.

 

Welche Botschaft geben Sie Ihren ehemaligen Mitarbeiter*innen in Hallstadt mit auf den Weg?

Wir wollen die Menschen, die Teil unseres Unternehmens waren sowie die kommenden Generationen, mitnehmen und zeigen, dass Transformation auch neue Perspektiven bietet. Die marktgetriebene Schließung des Standortes in Hallstadt soll marktgetrieben auch wieder eine Zukunft bieten. Der strukturelle Wandel hat uns zu diesem Schritt veranlasst und bietet aber auch Chancen im Bereich Cleantech und Nachhaltigkeits-Technologien. Wir wollen in Hallstadt etwas schaffen, das zum Maßstab für eine nachhaltige Transformation von Industriestandorten weltweit werden kann. Das haben wir uns auf die Fahnen geschrieben und das ist das Ziel des Revitalisierungsprojektes. Es wäre fahrlässig, diese Chancen nicht zu nutzen.

 

Vielen Dank für das Gespräch!

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Ansprech­partnerin

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    Maira Zöller

    Director Internal and External Communications Europe North

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